Idee

Nach dem 2. Weltkrieg war es etwas Besonderes,
wenn es hieß „… der Filmmensch kommt.“

In aller Sorge um das tägliche Brot, zur Pflege der Fantasie und der Sehnsucht nach dem Happyend war es für Jung und Alt eine wohltuende Abwechslung, wenn an der Milchbank oder am Brett vor dem Gemeindeamt ein handgeschriebener Zettel hing:

„27. Juni, 20.00 Uhr, Freitag LANDKINO“

Da wusste jeder im Dorf, auf dem Saal des Gerichtskretschams war in ein paar Tagen die „Große Freiheit“ mit Hans Albers oder der „Blauen Engel“ mit Marlene Dietrich zu erleben.

Das LANDKINO bot die Gelegenheit zusammenzukommen. Dass der Filmmensch kommt, das war immer wieder Anlass genug alle Arbeit und Schufterei zu unterbrechen und die Gemeinschaft zu suchen und zu genießen. Die Qualität der Filme und der Filmvorführung war mit den heutigen Möglichkeiten überhaupt nicht zu vergleichen.
Was geblieben ist? Auch nach den Triumphzügen des Fernsehens ist da eine ungestillte Sehnsucht. Die füllt gerade in den letzten Jahren wieder die Kinosäle. Vielleicht ist es einfach der andere Blickwinkel gegenüber dem Fernsehen?

Damit das LANDKINO auf dem Arnsdorfer Pfarrhof nahe der A4, kurz vor der polnischen Grenze entstehen konnte, war auch ein anderer Blickwinkel nötig. Im ansonsten unauffälligen Arnsdorf stand die Kirchengemeinde vor der Frage „Was sollen wir nur mit unserem alten Pfarrhof machen? Wir haben doch schon mit unserer Kirche so eine große Aufgabe? Getreide wird in dieser 30m x 9m großen Scheune wahrscheinlich keiner mehr einlagern. An eine Champignon-Zucht hatten wir anfangs gedacht. An ein Schwimmbecken und gar an eine Sauna.

Irgendwer kam dann – vielleicht wegen der fehlenden Fenster? – auf die Idee mit dem Kino: „Na klar. LANDKINO – das gab es auch früher schon. So viel müssen wir da gar nicht umbauen. Und mit Videotechnik ist das doch heute gar kein Problem …“ So gab eine Idee die nächste und in der Rekordzeit von zwei Monaten war ein variables Kinogestühl gefunden, ein Multifunktionssaal geschaffen, das Tor erneuert, Elektroanschlüsse gelegt – eine Leinwand installiert … Filme ausgewählt, Plakate gedruckt, Filmvorführer gefunden …

Die Träumerei wurde zur Spinnerei und nahm beinahe unerhörte Ausmaße an. Werbung? Darauf sollte verzichtet werden. Mit einem Vorfilm wurde allein für das Dorf, seine Gemeinschaft, die unzähligen Möglichkeiten und die zählbaren Arbeitsmöglichkeiten geworben. „Arnsdorf hat STI(h)L“ hieß der erste Vorfilm und jährlich kommen zwischen 1500 und 2000 Neugierige, die diesen Vorfilm sehen und beim „richtigen“ Film „richtig Vereinsmitglied sind“ und zwar im Verein für Kirchenbau – u. Dorfgeschichte Arnsdorf-Hilbersdorf-Thiemendorf e.V. Wenn sie es bleiben wollen, kommen sie einfach wieder.

Wir fragen niemanden danach, ob er Christ ist oder etwas mit Kirche zu tun hat. Wir machen aber auch kein Geheimnis draus, dass unsere Wurzel – die evangelische Kirchengemeinde am Ort ist. (Lieblingsspruch des Pfarrers: „Wer auf unseren Kino-Kirchenbänken zwei Stunden Kino schafft – der ist geradezu prädestiniert für eine Stunde Gottesdienst am kommenden Sonntag. Sie sind herzlich eingeladen.“

Das LANDKINO hat der Kirchengemeinde geholfen, sich zu öffnen und mit Hilfe der „Fremden“ die eigene Identität zu beschreiben. LANDKINO ist kein Eigentor, sondern ein Selbstläufer. Jedes Jahr rankt sich etwas Neues um diese Idee.

Sagte man in den Anfangszeiten des Kinos, dass die Bilder laufen lernten, sagen wir in Arnsdorf, dass die Menschen laufen lernten … Sie kommen im jedem Alter – aus der eigenen Gemeinde, den umliegenden Ortschaften und immer häufiger auch von weiter her. – Kommen Sie auch?

Andreas Fünfstück, März 2014